Dienstag, 25. November 2014

Thank God – no EBOLA in Ghana!

Heute am Vormittag hat mein Handy geläutet, eine mir unbekannte Nummer hat versucht mich zu erreichen und ich habe abgehoben: “Hello” – und als “Antwort” einen comptergenerierten Anruf entgegengenommen, mit dem die Regierung in Ghana Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung leistet – für den Fall der Fälle. Als dann wenig später auch Silke Telefon geläutet hat mit der gleichen Botschaft ist mir aufgefallen, dass ich dieses Thema noch gar nie zum Thema gemacht habe – obwohl es ein Thema ist in Ghana, ohne ein Thema zu sein J! Verwirrt? Nicht nötig, es ist nicht so verwirrend, wie ich es hier beschrieben habe. Aber von Anfang an!

Vor unserer Abreise im Sommer war das Thema Ebola ständig in den Schlagzeilen und nicht wenige Menschen in unserem Freundes- und Bekanntenkreis haben uns auf die Gefahren dieser Krankheit hingewiesen. Und ich gebe zu, dass wir alle ein bisschen nervös geworden sind. Auch Elisabeth, unsere „Betreuerin“ im OKR, hat in einer letzten Besprechungen noch einmal die Parole ausgegeben: „Sobald Ebola nach Ghana kommt, seid ihr aus Ghana draußen!“ Ich gebe zu, dass das schon beruhigend war zu wissen, dass es im Ernstfall keine Diskussion geben wird, ob das Projekt abgebrochen wird oder nicht.

Als dann am Flughafen bei der Immigration eine Beamtin mit Mundschutz gestanden ist, hat das unserem Unwohlsein nicht wirklich Abhilfe geschaffen. Aber jetzt, nach 4 Monaten kann ich wirklich sagen: völlig umsonst! Gott sei Dank! Bis jetzt wurde das Land von der todbringenden Seuche verschont und wir alle hier hoffen und beten, dass das auch so bleibt. Insofern ist Ebola in Ghana kein Thema.

Trotzdem ist es aber so, dass ich immer wieder mit dem Thema konfrontiert werde. Neben der Telefonaktion z.B. mit regelmäßigen Infospots im Fernsehen (sogar am Kinderkanal wird kindgerechte Aufklärungsarbeit betrieben!), mit eigenen Einheiten in den Schulen (in Theos Klasse hängt z.B. ein Plakat mit Verhaltensregeln zur Vermeidung von Ebola und mit erkennbaren Symptomen der Krankheit) und auch sonst sind in vielen öffentlichen Gebäuden Infos zu sehen: im Krankenhaus sowieso, aber auch in Banken, öffentlichen Toiletten, in Restaurants, in der Shopping-Mall in Accra und im Headquarter der PCG. Insofern ist Ebola also doch ein Thema.

Die Menschen hier gehen auch genauso damit um. Als wir ziemlich am Anfang meiner Zeit von einem Begräbnis zum Auto gekommen sind, wurde wie selbstverständlich ein Hand-Sanitizer herumgereicht, und es gibt fast immer und überall die Möglichkeit, sich die Hände mit Seife unter fließendem Wasser zu waschen. Und natürlich wird dabei auch immer wieder ein bisschen spöttisch auf die Ebola-Gefahr hingewiesen. Aber es zeigt: Ebola ist real, die Gefahr eines Ausbruchs ist nicht von der Hand zu weisen. Und trotzdem geht das Leben weiter, muss weitergehen. Denn zu Tode gefürchtet, ist bekanntlich auch gestorben.

 

Donnerstag, 20. November 2014

Halbzeit



Papa und Mutti in Ghana oder "Hilfe, die Schwiegereltern kommen" ;-)



Papa in seinem Element!!
Ja, jetzt weiß ich eigentlich nicht genau, was ich fühlen soll – soll ich mich freuen, weil wir in 14 Wochen schon wieder nach Hause kommen, unsere Freunde und die Familie wiedersehen? Oder soll ich traurig sein, weil die ersten 14 Wochen wie im Flug vergangen sind und uns nur mehr so wenig Zeit übrig bleibt? Es ist wohl ein bisschen von beidem! Und wahrscheinlich wird am Tag unserer Abreise ein lachendes und ein weinendes Auge zu sehen sein…

Fischmarkt Kpong
Es ist viel passiert, seit ich das letzte Mal geschrieben habe. Meine Eltern waren für 10 Tage bei uns und haben Abwechslung in unseren Lebensalltag gebracht. Am 10. November sind Silke und ich mit dem Trotro nach Accra gefahren. Mit Umsteigen! Das war schon ziemlich aufregend, aber jetzt wissen wir auch, wie diese Challenge funktioniert – das heißt, wir kommen ohne fremde Hilfe zur Shopping-Mall J! In der Mall haben wir uns mit Sylvester getroffen, dem Driver von Samuel Odjelua, der zu der Zeit gerade auf Besuch in Österreich gewesen ist und uns sein Auto überlassen hat, um meine Eltern vom Flughafen abzuholen. In der Mall die große Überraschung: alles war weihnachtlich dekoriert und es gibt Christbäume zu kaufen!! Ok, nur aus Plastik, aber dennoch: ein bisschen Grün für den Weihnachtsabend. Wir haben schnell beschlossen bei unserem nächsten Besuch einen solchen Plastik-Halleluja-Besen zu erstehen. Wenig später sind wir dann am Flughafen gewesen und haben tatsächlich meine Eltern in die Arme schließen können. Die ganze Familie hat sich schon irrsinnig auf Oma und Opa gefreut und die Kinder sind auch bis kurz vor Mitternacht aufgeblieben, um die Großeltern in Odumase willkommen zu heißen. Ich brauch wohl nicht extra zu erwähnen, dass der nächste Tag von uns schulfrei gegeben worden ist ;-).

Lisbeth, Kerstin, Dina und Schulfreundinnen
Die Woche war affig heiß und vor allem extrem schwül. Deshalb haben wir nach Rücksprache mit meinen Eltern das Programm ein bisschen reduziert und z.B. die Boti Falls gestrichen. Aber natürlich waren wir am Markt, mit dem Trotro in Somanja in unserem Supermarkt und – wie könnte es anders sein – in der Kirche. Wir haben am Sonntag den Hauptgottesdienst besucht und meine Eltern sind auch gleich vorgestellt worden. Überhaupt sind sie von allen Seiten extrem herzlich empfangen worden. Da könnten wir uns in Österreich schon eine gehörige Scheibe abschneiden. Und am Abend war es dann soweit: ich habe beim Gottesdienst in der Krobo-Girls-Presbyterian Senior High meine erste Predigt in Ghana gehalten – und das gleich vor etwa 2000 Menschen. Ich war nervös wie vor 17 Jahren, als ich das erste Mal in meinem Leben auf eine Kanzel geklettert bin. Aber ich glaube, ich hab meine Sache ganz gut gemacht. Und ich hab die Gelegenheit genutzt, auch gleich zu sagen, was ich von dem ständigen Bestrafen und Schlagen in der Schule halte.



Aber jetzt habe ich eines der beeindruckensten Ereignisse fast vergessen! Am Mittwoch letzte Woche ganz zeitig in der Früh klopft es an unserer Türe und der Mann von Joyce, einer der Sekretärinnen steht davor: Joyce hat in der Nacht ihr Baby bekommen, das sechste Kind und der zweite Bub. Wir haben uns total mitgefreut, weil wir wirklich in den letzten Wochen sehr mitgewartet haben. Und wir durften am Donnerstag auf Besuch kommen und uns den neuen Erdenbürger anschauen. Es ist schon immer wieder ein Wunder! So ein kleines Würmchen und trotzdem alles dran. Besonders fasziniert war ich von den Haaren (schwarz gelockt, was sonst! Und gaaanz weich und flaumig) und der Hautfarbe. Der junge Mann ist nämlich ganz hell! Wie ich gelernt habe verändert sich die Farbe innerhalb der ersten 3 Monate erst. Nachdem sein Papa und seine Mama  ganz schwarz sind nehme ich an, dass auch er noch ordentlich nachdunkeln wird. Wie der Bub heißt? Keine Ahnung! Das wird erst in diesen Tagen bei der „Name-Giving-Ceremony“ bekannt gegeben. Solange bleibt die Familie mit dem Kind allerdings auch in den eigenen vier Wänden, erst dann wird das neue Kind quasi überall mit hingenommen.

Fischerfamilie bei der Arbeit
Unsere "Luxuskutsche"
Den Abschluss der Zeit mit meinen Eltern wollten wir wieder in Big Ada verbringen, damit sie nicht nur Oduamse Krobo gesehen haben. Samuel Lawerteh, der Pfarrer von Big Ada, hat sich wieder um alles gekümmert. Wir haben das Guesthouse bekommen (ohne etwas bezahlen zu müssen), er hat für uns die Fahrt am Volta-River organisiert (ohne Geld dafür zu nehmen), sich den ganzen Tag für uns Zeit genommen und uns auch wieder mit Essen versorgt. Ich gebe zu, dass ich Samuel vom ersten Moment an sehr sympathisch gefunden habe, schon Anfang September, als ich ihn kurz in Oduamse kennengelernt habe. Ein freundlicher, lebenslustiger, agiler Mann mit einer tollen Familie. Eine seiner Töchter, Dina, geht seit letzter Woche auch auf die Krobo-Girls. Es ist ihre erste Internatsschule, und als wir am Sonntag dort waren zum Gottesdienst, haben wir schon gemerkt, dass es ihr gar nicht gut geht. Sie hat uns zwar tapfer angelächelt, aber ihre Augen haben etwas ganz anderes erzählt. Kein Wunder, wenn ich daran denke, dass das junge Mädchen in eine Schule geht, in der ihre Matratze nur mehr am Boden Platz gefunden hat (und natürlich ist es verboten, tagsüber im Bett zu liegen!) und in der man für alles und jedes bestraft wird. Vor allem die älteren Schülerinnen machen sich einen Spaß daraus, die neuen nach Lust und Laune zu quälen – nur, weil sie halt jetzt älter sind. Wen wundert es also, dass Dina krank geworden ist, eine ordentliche Portion Heimweh mit ein bisschen Fieber. Also hat uns Samuel gebeten, sie mitzunehmen auf unserer Fahrt nach Big Ada, was wir gerne gemacht haben. Sie hat sich zuhause natürlich sofort erholt und ich bin gespannt, wie es ihr ergehen wird, wenn sie am Samstag wieder in die Schule zurückgebracht wird.

Gestern war es dann soweit und wir mussten Oma und Opa wieder zum Flughafen bringen. Für uns war es wirklich eine wunderbare Zeit und ich denke, dass auch meine Eltern mit einem ganzen Haufen neuer Eindrücke und Erfahrungen die Heimreise angetreten haben.
Samuel, Mammli, Lili, Theo, Evi, Hubert, Silke, Dina, Markus, Samuels Frau und Kerstin


Montag, 3. November 2014

Festival in Odumase




Eine ganze Woche lang Festival im Kroboland - das NGMAYEM-Festival. Wir waren schon ein bisschen besorgt, was da so auf uns zukommen mag, vor allem, weil  ja auch andere Veranstaltungen ganz anders abgelaufen sind, als wir uns das erwartet hatten – denkt nur an die Gospel-Night! Aber eines gleich vorweg: die Sorgen waren unbegründet! Auch wenn wir wahrscheinlich nicht alles mitbekommen haben, was das Festival zu bieten gehabt hätte, das, was wir miterleben durften, war wirklich toll. Schnell haben wir uns von der ausgelassenen Stimmung in dieser Woche anstecken lassen.

Preisträgerinnen von diesem und anderen Jahren
Brigade der Krobo Girls Presbyt Senior High
Am Montag sind wir beim Rathaus Zeugen des „Perfect Woman Day“ geworden. Jedes Jahr werden hier Frauen ausgezeichnet, die ein Vorbild sein sollen für andere. Was sich – soweit ich das mitbekommen habe – vor allem auch darin äußert, dass jene Frauen nicht mit ihrer Hochzeit aufgehört haben, als eigenständige Persönlichkeiten zu existieren. Die Festrednerin hat in ihrer Ansprache darauf hingewiesen, wie wichtig die Rolle der Frauen für eine Gesellschaft ist. Vor allem in einer doch sehr patriarchalen Gesellschaft wie die ghanaische nun mal ist. Die Rollenbilder sind hier schon noch sehr extrem ausgeprägt. Wenn meine Mädchen in ihrer Schule erzählen, dass ich bei uns  sehr oft koche, dann sind ihre Mitschülerinnen regelmäßig ganz aus dem Häuschen. Und im Auto sitze selbstverständlich IMMER ich als der Mann vorne neben dem Fahrer. Als wir das am Beginn anders machen wollten, weil Silke schnell schlecht wird, wenn sie hinten sitzen muss, wurde uns ganz klar gesagt, dass der Platz vorne der meine ist. Wenn ich dann noch an die Zwangsverheiratung  der entführten Mädchen in Nigeria denke oder die Hinrichtung einer Frau in Saudi-Arabien, die einen Mann in Notwehr getötet hatte, der sie vergewaltigen wollte, dann kann ich  der Festrednerin nur zustimmen: Ja und Amen! Eine Gesellschaft, in der Frauen nichts zu sagen haben, ist lieblos, kriegerisch und gewaltsam! Wobei: am Beginn der Veranstaltung haben die Brigaden der diversen Mädchenschulen am Platz exerziert, bewaffnet mit Holzgewehren. Drill bis zum Exzess, bzw. bis ein Mädchen in der Mittagshitze kollabiert ist. Schon wirklich eine andere Welt…

Am Mittwoch sind der traditionelle König und sein Hofstaat plus Anhänger zu den Gräbern der Ahnen gepilgert. Wir haben leider erst die Rückkehr zum Rathaus mitbekommen. Aber auch das Spektakel dann war noch ziemlich beeindruckend. Wie verrückt wurde herumgeschossen (Gott sei Dank nur mit Platzpatronen), die Männer haben zu wilden Trommelrhythmen getanzt, aber auch viele Frauen haben sich ihnen angeschlossen. Wir waren fasziniert von der Farbenpracht der Gewänder und von einem wunderschönen Gegensatz: ein König in alten Gewändern und altertümlichen Riten, der sein riesiges Tablet-Handy in Händen hält.


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Musik für Mama Plafono und Theo

Tolle Gewänder und lustige Instrumente
Nene Sakite II - Konor of Manya Krobo





Theo und Kerstin waren begehrte Foto-Objekte!
Am Donnerstag haben wir uns auf die Reise gemacht. Etwa eine halbe Autostunde entfernt erhebt sich im Südosten ein Hügel. Über diesen „Berg“ sind vor vielen Jahren die Vorfahren der Bewohner aus Odumase ins Tal gekommen. Grund genug, dass jedes Jahr das ganze Tal auf den Beinen ist, um den Berg zu bezwingen und den Blick über das flache Umland zu genießen. Wir waren sehr früh dran, um der Hitze zu entkommen. Das ist nicht wirklich gelungen ;-) Leider waren wir so früh dran, dass noch nicht wirklich viel los gewesen ist. Erst als wir uns nach der Wanderung und dem wirklich beeindruckenden Rundblick wieder auf den Heimweg gemacht haben sind mehr und mehr Menschen auf das Gelände geströmt. Was mich sehr fasziniert hat, war, dass als wir angekommen sind, die Leute gerade dabei waren ihre Stände aufzubauen und die Wiese zu mähen. Anscheinend kommt hier niemand auf die Idee, solche Dinge schon am Vortag zu erledigen.  Die Veranstaltungen wirkten prinzipiell immer sehr improvisiert. Wir hatte öfters einmal das Gefühl, als seien die Menschen überrascht, dass das jetzt stattfindet.

Kerstin, Lili, Felix, Theo, Markus und Silke


Trommelmusik - einmal mobil!


Abschluss und Höhepunkt des Festivals war dann definitiv am Freitag. Am späten Vormittag sind der Hauptkönig des Krobo-Landes und seine Unterkönige samt ihrem Gefolge vom Rathaus zum hiesigen Park – ja, was – getragen worden. Mit viel Tamtam wurden sie in Sänften, welche natürlich von den Trägern am Kopf getragen worden sind, durch die jubelnde Menge getragen, beschirmt von riesigen Sonnenschirmen, welche ständig gedreht werden, um dem Herrscher Luft zukommen zu lassen.   Am Parkgelände waren einige tausende Menschen versammelt und es sind die traditionellen Könige mit den Vertreter/-innen der realen Macht zusammen getroffen. Besonders beeindruckt hat mich die Funktion des Linguisten, also jener Person, die im Namen des Königs spricht. Hier nennt man ihn Okyeame und man kann ihn immer leicht am silbernen oder goldenen Stab erkennen. Nach den Begrüßungsritualen und den Gebeten eines christlichen Pfarrers, eines muslimischen Iman und einer Gruppe der traditionellen Religion, sind dann die Politiker, oder genau gesagt eine Politikerin zu Wort gekommen, ihre Zeichens Ministerin in Ghana, die über die Probleme und Chancen des Krobo-Landes gesprochen hat.


Nene Sakite II
Richtig - lauter Linguisten, der mit dem Micro ist der vom Hauptkönig






Es war ein tolles Spektakel, sehr viel traditionelles Afrika, aber nicht als Touristenattraktion (auch wenn so viele Weiße in der Stadt waren wie sonst nie!), sondern wirklich gelebte Tradition. Und auch wenn uns vieles unverständlich und fremd geblieben ist – es war eine tolle Erfahrung, für die ich sehr, sehr dankbar bin.