Donnerstag, 20. November 2014

Halbzeit



Papa und Mutti in Ghana oder "Hilfe, die Schwiegereltern kommen" ;-)



Papa in seinem Element!!
Ja, jetzt weiß ich eigentlich nicht genau, was ich fühlen soll – soll ich mich freuen, weil wir in 14 Wochen schon wieder nach Hause kommen, unsere Freunde und die Familie wiedersehen? Oder soll ich traurig sein, weil die ersten 14 Wochen wie im Flug vergangen sind und uns nur mehr so wenig Zeit übrig bleibt? Es ist wohl ein bisschen von beidem! Und wahrscheinlich wird am Tag unserer Abreise ein lachendes und ein weinendes Auge zu sehen sein…

Fischmarkt Kpong
Es ist viel passiert, seit ich das letzte Mal geschrieben habe. Meine Eltern waren für 10 Tage bei uns und haben Abwechslung in unseren Lebensalltag gebracht. Am 10. November sind Silke und ich mit dem Trotro nach Accra gefahren. Mit Umsteigen! Das war schon ziemlich aufregend, aber jetzt wissen wir auch, wie diese Challenge funktioniert – das heißt, wir kommen ohne fremde Hilfe zur Shopping-Mall J! In der Mall haben wir uns mit Sylvester getroffen, dem Driver von Samuel Odjelua, der zu der Zeit gerade auf Besuch in Österreich gewesen ist und uns sein Auto überlassen hat, um meine Eltern vom Flughafen abzuholen. In der Mall die große Überraschung: alles war weihnachtlich dekoriert und es gibt Christbäume zu kaufen!! Ok, nur aus Plastik, aber dennoch: ein bisschen Grün für den Weihnachtsabend. Wir haben schnell beschlossen bei unserem nächsten Besuch einen solchen Plastik-Halleluja-Besen zu erstehen. Wenig später sind wir dann am Flughafen gewesen und haben tatsächlich meine Eltern in die Arme schließen können. Die ganze Familie hat sich schon irrsinnig auf Oma und Opa gefreut und die Kinder sind auch bis kurz vor Mitternacht aufgeblieben, um die Großeltern in Odumase willkommen zu heißen. Ich brauch wohl nicht extra zu erwähnen, dass der nächste Tag von uns schulfrei gegeben worden ist ;-).

Lisbeth, Kerstin, Dina und Schulfreundinnen
Die Woche war affig heiß und vor allem extrem schwül. Deshalb haben wir nach Rücksprache mit meinen Eltern das Programm ein bisschen reduziert und z.B. die Boti Falls gestrichen. Aber natürlich waren wir am Markt, mit dem Trotro in Somanja in unserem Supermarkt und – wie könnte es anders sein – in der Kirche. Wir haben am Sonntag den Hauptgottesdienst besucht und meine Eltern sind auch gleich vorgestellt worden. Überhaupt sind sie von allen Seiten extrem herzlich empfangen worden. Da könnten wir uns in Österreich schon eine gehörige Scheibe abschneiden. Und am Abend war es dann soweit: ich habe beim Gottesdienst in der Krobo-Girls-Presbyterian Senior High meine erste Predigt in Ghana gehalten – und das gleich vor etwa 2000 Menschen. Ich war nervös wie vor 17 Jahren, als ich das erste Mal in meinem Leben auf eine Kanzel geklettert bin. Aber ich glaube, ich hab meine Sache ganz gut gemacht. Und ich hab die Gelegenheit genutzt, auch gleich zu sagen, was ich von dem ständigen Bestrafen und Schlagen in der Schule halte.



Aber jetzt habe ich eines der beeindruckensten Ereignisse fast vergessen! Am Mittwoch letzte Woche ganz zeitig in der Früh klopft es an unserer Türe und der Mann von Joyce, einer der Sekretärinnen steht davor: Joyce hat in der Nacht ihr Baby bekommen, das sechste Kind und der zweite Bub. Wir haben uns total mitgefreut, weil wir wirklich in den letzten Wochen sehr mitgewartet haben. Und wir durften am Donnerstag auf Besuch kommen und uns den neuen Erdenbürger anschauen. Es ist schon immer wieder ein Wunder! So ein kleines Würmchen und trotzdem alles dran. Besonders fasziniert war ich von den Haaren (schwarz gelockt, was sonst! Und gaaanz weich und flaumig) und der Hautfarbe. Der junge Mann ist nämlich ganz hell! Wie ich gelernt habe verändert sich die Farbe innerhalb der ersten 3 Monate erst. Nachdem sein Papa und seine Mama  ganz schwarz sind nehme ich an, dass auch er noch ordentlich nachdunkeln wird. Wie der Bub heißt? Keine Ahnung! Das wird erst in diesen Tagen bei der „Name-Giving-Ceremony“ bekannt gegeben. Solange bleibt die Familie mit dem Kind allerdings auch in den eigenen vier Wänden, erst dann wird das neue Kind quasi überall mit hingenommen.

Fischerfamilie bei der Arbeit
Unsere "Luxuskutsche"
Den Abschluss der Zeit mit meinen Eltern wollten wir wieder in Big Ada verbringen, damit sie nicht nur Oduamse Krobo gesehen haben. Samuel Lawerteh, der Pfarrer von Big Ada, hat sich wieder um alles gekümmert. Wir haben das Guesthouse bekommen (ohne etwas bezahlen zu müssen), er hat für uns die Fahrt am Volta-River organisiert (ohne Geld dafür zu nehmen), sich den ganzen Tag für uns Zeit genommen und uns auch wieder mit Essen versorgt. Ich gebe zu, dass ich Samuel vom ersten Moment an sehr sympathisch gefunden habe, schon Anfang September, als ich ihn kurz in Oduamse kennengelernt habe. Ein freundlicher, lebenslustiger, agiler Mann mit einer tollen Familie. Eine seiner Töchter, Dina, geht seit letzter Woche auch auf die Krobo-Girls. Es ist ihre erste Internatsschule, und als wir am Sonntag dort waren zum Gottesdienst, haben wir schon gemerkt, dass es ihr gar nicht gut geht. Sie hat uns zwar tapfer angelächelt, aber ihre Augen haben etwas ganz anderes erzählt. Kein Wunder, wenn ich daran denke, dass das junge Mädchen in eine Schule geht, in der ihre Matratze nur mehr am Boden Platz gefunden hat (und natürlich ist es verboten, tagsüber im Bett zu liegen!) und in der man für alles und jedes bestraft wird. Vor allem die älteren Schülerinnen machen sich einen Spaß daraus, die neuen nach Lust und Laune zu quälen – nur, weil sie halt jetzt älter sind. Wen wundert es also, dass Dina krank geworden ist, eine ordentliche Portion Heimweh mit ein bisschen Fieber. Also hat uns Samuel gebeten, sie mitzunehmen auf unserer Fahrt nach Big Ada, was wir gerne gemacht haben. Sie hat sich zuhause natürlich sofort erholt und ich bin gespannt, wie es ihr ergehen wird, wenn sie am Samstag wieder in die Schule zurückgebracht wird.

Gestern war es dann soweit und wir mussten Oma und Opa wieder zum Flughafen bringen. Für uns war es wirklich eine wunderbare Zeit und ich denke, dass auch meine Eltern mit einem ganzen Haufen neuer Eindrücke und Erfahrungen die Heimreise angetreten haben.
Samuel, Mammli, Lili, Theo, Evi, Hubert, Silke, Dina, Markus, Samuels Frau und Kerstin


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