Montag, 3. November 2014

Festival in Odumase




Eine ganze Woche lang Festival im Kroboland - das NGMAYEM-Festival. Wir waren schon ein bisschen besorgt, was da so auf uns zukommen mag, vor allem, weil  ja auch andere Veranstaltungen ganz anders abgelaufen sind, als wir uns das erwartet hatten – denkt nur an die Gospel-Night! Aber eines gleich vorweg: die Sorgen waren unbegründet! Auch wenn wir wahrscheinlich nicht alles mitbekommen haben, was das Festival zu bieten gehabt hätte, das, was wir miterleben durften, war wirklich toll. Schnell haben wir uns von der ausgelassenen Stimmung in dieser Woche anstecken lassen.

Preisträgerinnen von diesem und anderen Jahren
Brigade der Krobo Girls Presbyt Senior High
Am Montag sind wir beim Rathaus Zeugen des „Perfect Woman Day“ geworden. Jedes Jahr werden hier Frauen ausgezeichnet, die ein Vorbild sein sollen für andere. Was sich – soweit ich das mitbekommen habe – vor allem auch darin äußert, dass jene Frauen nicht mit ihrer Hochzeit aufgehört haben, als eigenständige Persönlichkeiten zu existieren. Die Festrednerin hat in ihrer Ansprache darauf hingewiesen, wie wichtig die Rolle der Frauen für eine Gesellschaft ist. Vor allem in einer doch sehr patriarchalen Gesellschaft wie die ghanaische nun mal ist. Die Rollenbilder sind hier schon noch sehr extrem ausgeprägt. Wenn meine Mädchen in ihrer Schule erzählen, dass ich bei uns  sehr oft koche, dann sind ihre Mitschülerinnen regelmäßig ganz aus dem Häuschen. Und im Auto sitze selbstverständlich IMMER ich als der Mann vorne neben dem Fahrer. Als wir das am Beginn anders machen wollten, weil Silke schnell schlecht wird, wenn sie hinten sitzen muss, wurde uns ganz klar gesagt, dass der Platz vorne der meine ist. Wenn ich dann noch an die Zwangsverheiratung  der entführten Mädchen in Nigeria denke oder die Hinrichtung einer Frau in Saudi-Arabien, die einen Mann in Notwehr getötet hatte, der sie vergewaltigen wollte, dann kann ich  der Festrednerin nur zustimmen: Ja und Amen! Eine Gesellschaft, in der Frauen nichts zu sagen haben, ist lieblos, kriegerisch und gewaltsam! Wobei: am Beginn der Veranstaltung haben die Brigaden der diversen Mädchenschulen am Platz exerziert, bewaffnet mit Holzgewehren. Drill bis zum Exzess, bzw. bis ein Mädchen in der Mittagshitze kollabiert ist. Schon wirklich eine andere Welt…

Am Mittwoch sind der traditionelle König und sein Hofstaat plus Anhänger zu den Gräbern der Ahnen gepilgert. Wir haben leider erst die Rückkehr zum Rathaus mitbekommen. Aber auch das Spektakel dann war noch ziemlich beeindruckend. Wie verrückt wurde herumgeschossen (Gott sei Dank nur mit Platzpatronen), die Männer haben zu wilden Trommelrhythmen getanzt, aber auch viele Frauen haben sich ihnen angeschlossen. Wir waren fasziniert von der Farbenpracht der Gewänder und von einem wunderschönen Gegensatz: ein König in alten Gewändern und altertümlichen Riten, der sein riesiges Tablet-Handy in Händen hält.


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Musik für Mama Plafono und Theo

Tolle Gewänder und lustige Instrumente
Nene Sakite II - Konor of Manya Krobo





Theo und Kerstin waren begehrte Foto-Objekte!
Am Donnerstag haben wir uns auf die Reise gemacht. Etwa eine halbe Autostunde entfernt erhebt sich im Südosten ein Hügel. Über diesen „Berg“ sind vor vielen Jahren die Vorfahren der Bewohner aus Odumase ins Tal gekommen. Grund genug, dass jedes Jahr das ganze Tal auf den Beinen ist, um den Berg zu bezwingen und den Blick über das flache Umland zu genießen. Wir waren sehr früh dran, um der Hitze zu entkommen. Das ist nicht wirklich gelungen ;-) Leider waren wir so früh dran, dass noch nicht wirklich viel los gewesen ist. Erst als wir uns nach der Wanderung und dem wirklich beeindruckenden Rundblick wieder auf den Heimweg gemacht haben sind mehr und mehr Menschen auf das Gelände geströmt. Was mich sehr fasziniert hat, war, dass als wir angekommen sind, die Leute gerade dabei waren ihre Stände aufzubauen und die Wiese zu mähen. Anscheinend kommt hier niemand auf die Idee, solche Dinge schon am Vortag zu erledigen.  Die Veranstaltungen wirkten prinzipiell immer sehr improvisiert. Wir hatte öfters einmal das Gefühl, als seien die Menschen überrascht, dass das jetzt stattfindet.

Kerstin, Lili, Felix, Theo, Markus und Silke


Trommelmusik - einmal mobil!


Abschluss und Höhepunkt des Festivals war dann definitiv am Freitag. Am späten Vormittag sind der Hauptkönig des Krobo-Landes und seine Unterkönige samt ihrem Gefolge vom Rathaus zum hiesigen Park – ja, was – getragen worden. Mit viel Tamtam wurden sie in Sänften, welche natürlich von den Trägern am Kopf getragen worden sind, durch die jubelnde Menge getragen, beschirmt von riesigen Sonnenschirmen, welche ständig gedreht werden, um dem Herrscher Luft zukommen zu lassen.   Am Parkgelände waren einige tausende Menschen versammelt und es sind die traditionellen Könige mit den Vertreter/-innen der realen Macht zusammen getroffen. Besonders beeindruckt hat mich die Funktion des Linguisten, also jener Person, die im Namen des Königs spricht. Hier nennt man ihn Okyeame und man kann ihn immer leicht am silbernen oder goldenen Stab erkennen. Nach den Begrüßungsritualen und den Gebeten eines christlichen Pfarrers, eines muslimischen Iman und einer Gruppe der traditionellen Religion, sind dann die Politiker, oder genau gesagt eine Politikerin zu Wort gekommen, ihre Zeichens Ministerin in Ghana, die über die Probleme und Chancen des Krobo-Landes gesprochen hat.


Nene Sakite II
Richtig - lauter Linguisten, der mit dem Micro ist der vom Hauptkönig






Es war ein tolles Spektakel, sehr viel traditionelles Afrika, aber nicht als Touristenattraktion (auch wenn so viele Weiße in der Stadt waren wie sonst nie!), sondern wirklich gelebte Tradition. Und auch wenn uns vieles unverständlich und fremd geblieben ist – es war eine tolle Erfahrung, für die ich sehr, sehr dankbar bin.

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