Sonntag, 5. Oktober 2014

Ehee...


…das Lieblingswort der Ghanaer (neben "Halleluja"). Egal, wo wir bis jetzt waren, dieses Wort war überall und permanent zu hören und begleitet uns ständig. Was es bedeutet? – Nun, die Bedeutung variiert und als geneigter Zuhörer darf man da auch sicher ein bisschen interpretieren. So wird „ehee“ so wie unser „aha!“ verwendet, wenn jemand zuhört. Viel häufiger bauen die Menschen dieses Wort aber in ihre Sätze ein, dann heißt es entweder „Verstehst Du mich?“, „Kapiert?“ oder es bekräftig einfach das Gesagte, ich würde es mit „ja, so ist es“ übersetzen. Nach einiger Zeit dachte ich, dass ich jetzt alle Bedeutungen kenne, aber in den letzten Tagen habe ich noch weitere Möglichkeiten der Verwendung entdeckt. „Ehee“ wird auch eingebaut, wenn man während dem Sprechen den Faden verloren hat oder einfach nicht weiter weiß. Außerdem drückt es sicher jede Form der Zustimmung, des Erstaunens oder auch Missbilligung aus …

BLUE - der Übeltäter?!?
Viele „ehees“ habe ich nach meinem ersten Einsatz von „Blue“ geerntet, die sicher sowohl Erstaunen, Missfallen usw. bedeutet haben. Warum? Ich habe Beaches gefragt wie sie ohne Waschmaschine zu so makellos weißen Shirts kommt, worauf sie mir „Blue“ empfohlen hat, was ich natürlich sofort beim nächsten Markttag erstanden habe. Also weiße Wäsche gewaschen, gespült und wie vorher instruiert beim letzten Spülgang „Blue“ zugefügt … ich habe es wohl etwas gut gemeint, denn nun besitzt Kerstin ein hellblaues Pyjamaoberteil und ich einige blaugraue Unterhosen. Markus´weißes Hemd konnte ich noch retten. Jeder kann sich sicher die verschiedenen „ehees“ vorstellen, die beim Begutachten meiner Wäsche und meinen Beschreibungen folgten. Zur Rettung der Ehre: bis auf ein paar ungewollte blaue Flecken ist mir seither nichts mehr passiert.

Es ist überhaupt erstaunlich wie schnell man sich nicht nur an die Umgebung sondern auch an die neuen Lebensumstände gewöhnt. Es ist so selbstverständlich geworden, täglich nach dem Frühstück Wasser für das Waschen der Wäsche zu kochen, Geschirr mit der Hand zu spülen oder eine abenteuerliche Trotrofahrt auf sich zu nehmen, um zu einem „Geschäft“ zu kommen. Wir haben uns auch daran gewöhnt, dass es nicht immer alles gibt, so mussten wir zweimal ausrücken, um Essig zu bekommen. Das Angebot ist nicht groß, aber wir finden fast immer alles, was wir zum Leben brauchen – und hin und wieder greifen wir auf die Leckereien aus unseren von Freunden liebevoll gepackten Carepaketen zurück. Das ist dann immer ein besonderes Highlight. – Ehee?

Aber gerade, als wir so vor uns hinträumten von mit Speck und Käse gefüllten Kartoffeln (Kerstins neues Hobby besteht aus Downloaden von Rezepten), Schinken, Pommes; Joghurt…wurden wir ganz schnell auf den Boden der Realität zurückgeholt. Gestern war wieder einmal ein Begräbnis und die anschließende Feier am Gelände trieb uns aufgrund der ohrenbetäubenden Musik schon mehrere Stunden gekonnt in den Wahnsinn. Während der letzten Stunde dieser Feier sammelten sich mehrere sehr schmutzige Kinder vor unserer Terrasse und wollten von Markus etwas zum Essen. Als er das verneinte, wollten sie Geld, was er auch verweigerte. Gerade als er mit ihnen darüber sprechen wollte, wurden die Kinder von einer Frau der Begräbnisgesellschaft gerufen und sie liefen davon. Zurück kamen sie freudestrahlend mit Plastiksäcken, die mit den Essensresten der Feier bestückt waren. Lili zauberte dann noch ein besonders glückliches Lächeln auf ihre Gesichter als sie jedem von ihnen einen Lutscher schenkte. Wir waren voller Demut und Dankbarkeit als wir uns anschließend zu Tisch setzten und unser nun fertiges Kartoffelgulasch genossen. Ehee!!!

Theo, eifrig beim Rechnen
Auch an den Schulalltag haben wir uns gewöhnt. Lili und Kerstin sind in ihren Schuluniformen ein vertrauter Anblick . Für Theo hat die "Mamaschule" natürlich pünktlich am 1. September ihre Pforten geöffnet. Theo hat mir gleich nach dem ersten Tag gesagt, dass es eh ok ist, er Frau Pröll (seine Klassenlehrerin) und seine Klasse schon viel lieber hat. Die Vorteile, dass der Unterricht nie vor 10.00 beginnt (Haushalt und Wäsche werden zuerst erledigt) und er in der Früh noch Lego spielen kann, hat er schon auch erwähnt. Mittlerweile haben wir uns aber aneinander gewöhnt und abgesehen von ein paar Disputen, versuchen wir in trauter Zweisamkeit den Lehrstoff zu bewältigen. Trotzdem weiß ich jetzt, dass ich seine Lieblingsmama, aber nicht seine Lieblingslehrerin bin, ehee.

Nie gewöhnen werden wir uns an den permanenten Lärmpegel hier. Abgesehen von der unerträglich lauten und übersteuerten Musik bei den samstäglichen funerals oder weddings, die mit einem Bass, der unsere Türen und Möbel vibrieren lässt, garniert ist – ehee-, auch sonst sind immer Musik (inkl. dröhnendem Bass), Trommeln, Autohupen und sehr laute Stimmen zu hören. Es wird mir immer ein Rätsel bleiben, warum bei Gebeten in der Kirche jemand hysterisch in ein Mikrofon schreien muss, die Wiese um 5:30 gemäht wird, die Menschen sich nur sehr laut redend und wild gestikulierend unterhalten können und die einzige Voraussetzung, um einen PKW fahren zu dürfen, eine funktionierende Autohupe ist ;).

Lisbeth und Kerstin lernen von ihren Mitschülerinnen ganz viele Worte auf Twi, wir haben schon – noch nicht ganz so viele – Worte auf Krobo gelernt, wobei vor allem „modschum“ (=danke), die lustigsten Reaktionen hervorruft. Die Menschen freuen sich unglaublich, wenn sie merken, dass wir zumindest versuchen ein paar ihrer Worte zu lernen. Am Markt ernten wir neben viele erstaunten „ehees“ auf unser „modschum“ auch Gelächter, anerkennende Schulterklopfer und weiterführende Sprachkurse. Meistens schaffe ich es nicht einmal bis zum nächsten Stand, um mir die neuen Worte zu merken – ehee-, was auch daran liegt, dass ich darauf konzentriert bin, niemanden umzurennen, auf keine Hühner oder sonstigen Tiere zu treten und freundlich zu grüßen.

Jetzt werde ich mich wieder meiner Wäsche widmen, ehee! Da der Wasserdruck heute nicht vorhanden ist, dauert die ohnehin schon lange Prozedur noch viel länger, aber wir geben die Hoffnung nicht auf, dass wir am Abend Strom UND ausreichend Wasser für eine kalte Dusche haben!



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