Der Freitag war ein durch und durch ereignisreicher Tag! Zuerst waren wir – endlich – bei der Headmistress der Presbyterian Krobo Girl Senior Highschool, um die Details für den Schulbesuch von Lisbeth und Kerstin zu klären. Dann bin ich mit Janet und dem Trotro nach Koforidua gefahren, um endlich unsere heiß ersehnten Packerl mit Köstlichkeiten aus der Heimat abzuholen, und dann, am Abend, sind wir mit „unserem“ Taxidriver nach Somanya gefahren, um den letzte Gospelabend dort mitzuerleben. Und von diesem Abend muss ich euch unbedingt berichten!
Wir sind ca. eine halbe Stunde zu spät gekommen, der Taxler
war nicht pünktlich. Das war aber kein großes Problem, es wurde gerade gesungen
als wir am Kircheneingang herzlich willkommen geheißen und – natürlich – in die
erste Reihe fußfrei geführt wurden. Und uns war recht schnell klar, dass wir
hier kein Gospelkonzert hören würden, so wie wir es uns insgeheim erhofft
hatten. Denn die Musik war wieder dermaßen laut, dass wir uns so schnell wie
möglich etwas in die Ohren gestopft haben, um die Gefahr eines bleibenden
Gehörschadens zu begrenzen. Aber die Stimmung war fantastisch! Die Kirche
rammelvoll, ca. 1/3 Kinder und 1/3 junge Menschen, es wurde gesungen, getanzt,
gefeiert, die weißen Taschentücher, Ausdruck für die Lebensfreude, wurden immer
wieder wie wild geschwungen, und ich war das erste Mal richtig traurig, kein
eigenes Taschentuch zu haben.
Nach diesem mitreißenden Eröffnungsteil betrat der
Gastprediger die Kanzel, an seiner Seite ein „Simultanübersetzer“, und was
jetzt folgte, habe ich bis dahin nur aus dem Fernsehen gekannt. Also wenn ein
Pfarrer, den ich selbst live erlebt habe, jemals das Prädikat „Praecherman“
verdient hat, dann er. Seine Botschaft
war einfach und eindrücklich, seine kurzen Sätzen oder Satzsequenzen in
Englisch wurden umgehend in Krobo, den hiesigen Dialekt übersetzt, und so
entstand eine unglaubliche Dynamik, welche die Kirchenbesucher zu wahren
Begeisterungsstürmen hingerissen hat. Ihr wisst (oder zumindest viele von
euch), dass das nicht meine Art der Frömmigkeit ist, aber ich bin nach Ghana
gekommen, um mich auf Neues einzulassen und ich hab gewusst, dass mich ein sehr
charismatisches Christentum erwarten wird. Und insofern haben ich den Abend bis
hierher auch wirklich sehr genossen und mich von der gewaltigen Stimmung
mitnehmen lassen.
Bis hierher! Denn dann ist die Stimmung gekippt. Der
Preacherman hat mit seinem Rede-Schrei-Stakkato einige der Menschen dermaßen
emotionalisiert, dass plötzlich (hauptsächlich junge) Frauen in den Altarraum
getragen wurden, die sich ekstatisch zuckend am Boden gewälzt haben bzw. von
anderen festgehalten wurden, um in ihrer Geisterfülltheit nicht sich oder
anderen Schaden zuzufügen. Und statt die Stimmung zu beruhigen, wie ich das
erwartet hätte, hat der Prediger das Tempo angezogen und die Stimmung weiter
geschürt. Die Gesänge sind mehr und mehr zu einem unverständlichen Geschrei
geworden und wir haben uns wirklich sehr unwohl gefühlt. Deshalb sind wir dann
um 22 Uhr vorzeitig in Richtung Heimat aufgebrochen.
Rev. Paul, der Ortspfarrer, hat uns noch vor die Türe
begleitet und gewartet, bis unser Taxi da war. In der Zeit haben wir über die
Ereignisse in der Kirche geredet, und er hat lapidar gemeint: „That´s the
Ghanean way to worship!“ und uns erklärt, dass das einfach mit der
jahrhundertealten Kultur zusammenhängt, dass solche Verzückungen auch beim
Besuch der Fetische üblich gewesen sind und jetzt halt auch Teil der
christlichen Kultur sind. Ich gebe zu, dass mich die Erklärung ein bisschen
beruhigt hat, mir aber auch gezeigt hat, wie gewaltig die Unterschiede zwischen
Afrika und Europa, zwischen Österreich und Ghana sind. Auch auf dieser Ebene.
Ich bin trotzdem sehr froh, dass ich heute in einem ganz
normalen Gottesdienst gewesen bin – wobei das eigentlich auch nicht stimmt.
Nachdem Silke und ich heute um 6(!) Uhr aufgestanden sind um zum
Englisch-Service vor Ort zu gehen und dann vor einer leeren Kirche gestanden
sind, habe ich mich etwas halbherzig um 9:30 Uhr alleine auf den Weg zum
Gottesdienst gemacht. Und wurde überrascht, denn es wurden in dem Gottesdienst
25 junge Menschen konfirmiert und etwa die Hälfte von ihnen davor noch getauft.
Und es war schön zu sehen, dass diese jungen Christinnen und Christen fulfilled
waren vom Holy Spirit – und trotzdem im Besitz ihrer geistigen und körperlichen
Fähigkeiten geblieben sind. Wen stört es dann schon, dass die Feier in der
Kirche 4 Stunden gedauert hat…
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