Es wollten einfach keine Weihnachtsgefühle aufkommen. Täglich an die 35°C, bei jedem Schritt tropft einem der Schweiß von der Stirn – nein, Weihnachten fühlt sich anders an. Und noch was hat gefehlt: die vorweihnachtliche Hektik! Das erste Mal seit Jahren keine Gottesdienste vor und während dem Christfest vorzubereiten. Kein hektisches Treiben in den Straßen, kein Gedränge in den diversen Geschäften, keine Weihnachtsfeiern. Das hab ich eigentlich ganz angenehm empfunden. Und es haben sich neue Möglichkeiten aufgetan.
Am Montag haben wir unsere Weihnachtseinkäufe erledigt. Mit
dem Kleinbus von der Zimmermann-Congregation sind wir nach Accra gefahren. Kurz
vor der Shopping-Mall hat der Bus zu rupfen begonnen, wir also an der nächsten
Straßenbucht an den Rand gefahren, der Fahrer hat aus dem Handschuhfach ein
paar Utensilien geholt, ist unter dem Bus verschwunden und hat – ruck-zuck –
den Benzinfilter ausgebaut und wir sind kurzerhand ohne weitergefahren.
Problemlösung auf ghanaisch J!
In der Mall haben wir uns eine Weihnachtsente gekauft (Gans war leider aus ;-))
und uns eine Pizza mit nach Hause genommen! Ein echtes Geschmackserlebnis, nach
über 4 Monaten wieder eine Pizza zu schmausen.
Theo mit neuer Kette |
Am Dienstag sind wir – in Ermangelung anderer nötiger
Tätigkeiten – ENDLICH zu einer Beads-Fabrik gekommen. Felix hat uns hingeführt,
nach einem 20-minütigen Fußmarsch über
eine Sandpiste sind wir auf einmal in einem herrlichen Palmenhain gestanden.
Cedi – so der Chef der Fabrik – stellt in seinem Betrieb die für die
Krobo-Region typischen Glasperlen her. Er hat uns während der Führung die
unterschiedlichen Arten von Glasperlen erklärt und uns einen ersten Einblick in
diese Handwerkskunst gegeben: von der Verarbeitung des Rohmaterials über das
Brennen und Schleifen bis hin zur Endfertigung. Und dann hat er uns natürlich
auch noch seinen Shop gezeigt! Ich kann euch sagen, wir hätten dort problemlos
ein kleines Vermögen ausgegeben, wenn – ja, wenn ich genügend Geld mitgehabt
hätte. Aber die Glasperlenketten sind für Ghana relativ teuer. Kein Wunder, ist
doch jedes Stück von Anfang bis Ende handgefertigt.
Reingen und schleifen |
Brennofen |
Am Heilig Abend haben wir nach alter Lintner-Tradition
gemeinsam den Christbaum geschmückt. Wobei ich zugeben muss, dass die
eigentliche Challenge das Aufbauen des Plastikbaumes gewesen ist. Und ich
finde, er ist schöner geworden, als ich mir das beim Kauf erwartet habe. Und
vor allem – endlich etwas grün im Haus! Blöderweise hab ich nicht genau
geschaut, als ich die Lichterkette eingekauft habe – jetzt haben wir einen Christbaum
der blinkt J!
Während dem Bauen und Schmücken haben wir Ö3 gehört, es war schön, vertraute
Klänge zu hören. Denn rund um uns war – wie jeden Tag – viel Musik mit noch
mehr Bass zu hören. Weihnachtliche Klänge? Fehlanzeige!
Der Einzige in unserer Familie, der voll im Weihnachtsmodus
war, das war Theo. Die letzten Tage sind für ihn nur in Zeitlupe verlaufen und
er war manchmal wirklich nur schwer auszuhalten. Andererseits hat er uns so ein
bisschen von dem Weihnachtszauber geschenkt, der dieses Fest mit Kindern so
einzigartig macht. Als wir bei der Bescherung allerdings immer noch ein Lied
und noch eine Strophe gesungen haben, da war er schon sehr ungehalten (so ganz
nebenbei: Lili und Kerstin haben uns mit „Stille Nacht“ auf TWI überrascht, das
hat Silke und mich wirklich sehr, sehr gefreut!). Und beim Weihnachtsevangelium
unter dem Christbaum hat er es fast nicht mehr ausgehalten.
Es ist komisch, aber mir ist echt meine/unsere Weihnachtsroutine
abgegangen. So gar keinen Gottesdienst zu haben am Heiligen Abend – da fehlt
dann doch etwas Essentielles.
Heute sind wir dann in die Kirche gegangen, und es war ein
sehr schöner Gottesdienst. 9
verschiedene Lesungen – vom Buch Genesis über Jesaja zu den Evangelien – haben uns
die Botschaft von Weihnachten näher gebracht, immer begleitet von tollen Lieder
des Chors des Presbyteries. Sehr lässig! Und dann noch eine mitreißende Predigt
von Eric, wie immer ein bisserl Pfarrer, ein
bisserl Showman, aber mitreißend und eindringlich. Ein bissi schade nur,
dass wir halt wieder 4 ½ Stunden in der Kirche gesessen sind, über so eine
lange Zeit ist es einfach unmöglich, einen Spannungsbogen zu halten.
Zu Hause hat dann schon Felix auf uns gewartet mit dem Weihnachtsgeschenk
seiner Familie für uns: Yams, Plantains und ein Stück Fleisch. In der Früh
haben wir von Rev. Stephen und Aunti Messi schon Reis, Öl, Saft und Tomatenmark
bekommen. Weil es üblich ist, alle Gäste in der Weihnachtszeit zu bewirten,
werden eben einfach Lebensmittel verschenkt. Eine schöne und auch sehr
praktische Idee. Nur wissen wir jetzt nicht mehr, wohin mit all den
Lebensmitteln. Weil wir ja bereits am Samstag für 5 ½ Wochen durchs Land reisen
werden. Besonders nett waren die Geschenke von Rose und ihrer Familie. Sie hat
jedem von uns einen typischen ghanaischen Stoff (sogar in Geschenkspapier verpackt)
mitgebracht. Wenigstens waren wir vorbereitet und haben unsere Gäste mit
selbstgebackenen Keksen und gekauften Getränken versorgt.
Wisst ihr, wie ein Christbaum in Ghana ausschaut? Nein? Wir
haben es heute am Nachmittag von Abraham gelernt. Man nehme ein paar Palmblätter,
flechte und dekoriere sie, und schon – tata – ist er fertig. Wie ihr sehen
könnt, waren vor allem meine Damen mit Feuereifer bei der Sache. Theo hat
währenddessen mit seinem neuen Lego gespielt. Und ich? Ich hab mich um das
Festessen gekümmert – weil ganz ohne geht es halt auch in Ghana nicht. Jetzt
sitze ich im Haus, staune darüber, dass auch heute – wie in der letzten Zeit –
Kracher und Raketen geschossen werden und freue mich, dass, zumindest bis
jetzt, keine Bassmusik die weihnachtliche Stille stört. Wer weiß – vielleicht wird
es ja heute eine stille, heilige Nacht.
Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
AntwortenLöschen